Tagebuch



Gabi & Jürgen on Tour ...

Into the wild ...

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Ein brauner Schwarzbär mit fast weißem Rücken an der Vernal Bridge, Yosemite NP, CA

WAS FÜR EIN TAG!

Nach einer guten Nacht gibt es im Jamestown Railtown Motel nur einen Styroporbecher Kaffee. Die Tanke um die Ecke fahren wir ohnehin an, da man gut beraten ist, mit vollem Tank in den Yosemite NP zu fahren. Im Park gibt es keine Tankstellen und zwischen Park und unserer Unterkunft dort auch nicht. Die liegt nämlich als Parknächster Gebäudekomplex nur 3 Kilometer vom Eingang des Nationalparks entfernt - und das in völliger Einsamkeit.

Wir tanken nicht nur voll, sondern schnappen uns dort auch noch zwei große Coffee 2 Go, ein Donut und eine Banane (Gabis Frühstück) sowie ein größeres Sandwich für das Mittagessen. So gerüstet geht es gut gelaunt bei strahlendem Sonnenschein gegen 08:30 Uhr auf dem 49er-Highway Richtung Süden. Später wechseln wir auf den Hwy. #120, der uns in endlosen Serpentinen zum Nordwesteingang des Yosemite NP bringt. Unser Jahrespass für die Nationalparks aus dem vergangenen Urlaub ist noch gültig bis September; prima, zumindest das sparen wir mal.

Es ist einiges los, denn heute ist Memorial Day. Das haben wir unterwegs schon gemerkt, denn auch wenn üblicherweise diverse Stars & Strips-Fahnen zu sehen sind - heute hängt an jedem Laternenmast eine. Und im Radio gibt es auffällig viele Songs über die unglückliche Braut, die (für immer vergebens) auf ihren Liebsten wartet, der in fernen Landen für Gerechtigkeit kämpfend alles fand, nur nicht das Glück oder einfach über den „lonesome soldier“. Gehört dazu!

Schon auf der Fahrt hatten wir uns überlegt, ob wir unser Programm ändern - denn eines war klar: Flexibilität war heute hilfreich, denn viele Amis waren auch unterwegs. Gegen unser Gefühl versuchen wir, im Valley einen Parkplatz zu finden - und haben sofort Glück. Nicht auf dem Hauptparkplatz am Yosemite Village und dem Visitor Center - aber auch nicht zu weit entfernt. Super!

Kurzer Plausch mit der Rangerin, die uns eingewiesen hat, dann ab durch die Meadows zum Visitor Center. Durch unseren Aufenthalt 2011 sind uns die groben Zusammenhänge und Orte hier bekannt, was natürlich hilfreich ist. Auffällig sind die Wasserfälle, die überall imposant ins Tal stürzen. Im September führen diese kaum noch Wasser, im Frühsommer präsentieren sie sich in Bestform. Schon jetzt ist klar: definitiv ist Mai/Juni eine Top-Zeit für diesen Park.

Die Rangerin im Visitor Center bekräftigt unsere Annahme, das morgens ganz früh der beste Zeitpunkt für den „Glacier Point“ ist. Klare Luft, wenig Dunst, gutes Fotolicht. Also morgen! Und sie meint, dass unsere Idee, eine lange Wanderung zu den Vernal und Nevada Falls zu machen ganz ausgezeichnet ist und dafür sei es noch nicht zu spät. Also: heute, nicht morgen - kein Problem.

Der genannte Trail hat es in sich. Ein „7 Miles Loop Trip“ macht 11,3 Kilometer bei 1.000 Höhenmetern rauf wie runter bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius und bis in eine Höhe von knapp 2.000 Metern. Mit allen Zubringerwegen und Abstechern bringen es unser iPones am Ende des Tages auf über 17 Kilometer und knapp 32.000 Schritte.

Wenn mich im Rückblick jemand fragt, was man mitbringen sollte für diesen Trail, dann fallen mir spontan gutes Schuhwerk, jede Menge Wasser, gute Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, Sonnencreme, Kameras und keine Angst vor Bären auf Tuchfühlung ein. Ach ja: und wasserdicht sollte man sein. Es war ein Hammertag! Eine der schönsten Wanderungen, die wir je irgendwo gemacht haben bei Top-Bedingungen, in bester Verfassung und mit atemberaubenden Eindrücken. Allein für diesen Tag hat sich der weite Flug gelohnt. Und bisher war es ja auch nicht gerade langweilig …

Ich fasse mal zusammen: Vom Visitor Center fahren wir mit dem Shuttlebus (alle 10 Minuten) bis zur Haltestelle #16. Dort geht es zunächst 1,3 km recht steil hinauf bis zur Vernal Falls Bridge. Hier von der Holzbrücke, die über den Merced River führt hat man einen ersten beeindruckenden Blick auf die Vernal Falls mit 95 Metern Fallhöhe. Aber glaubt mir: das haben wir erst sehr viel später gesehen, denn was sich heute im Umfeld der Brücke abspielte, erfahrt ihr jetzt:

Bis zu dieser Brücke gehen recht viele Leute, auch mit Kindern und das gerade heute. Weiter gehen dann wirklich nur ambitionierte Wanderer, denn danach wird es richtig anstrengend. Also war viel los an diesem Platz. Und als wir ca. 200 Meter vor der Brücke sind, zeigt einer in die Felsen zwischen die Bäume und behauptet, dort gerade einen „weißen Bären“ gesehen zu haben. Klar: Sonnenstich! Aber hier schon? Und hat auch Gabi einen? Die behauptet nämlich, ihn auch gesehen zu haben. Und dann bewegt sich dort wirklich etwas großes, sehr helles. Kamera klickt und tatsächlich. Ein Bär! Ein kleiner Bär; vielleicht so groß wie ein großer Bernhardiner. Es gibt hier nur Schwarzbären, als muss es einer sein. Die sind auch mal braun - der hier ist aber hellbraun und oben auf dem Rücken tatsächlich fast weiß.

Es trollt sich so zwanzig, dreißig Meter weiter durch die Felsen, ist mal zu sehen, mal nicht. Ich gebe Gabi die D7000 mit dem neuen 70-200/2.8 - damit hat sie eine Brennweite von 300 mm, also optimal. Ich schieße mit der D750 und dem 24-70/2.8 - bekomme mehr drauf aufs Bild, dafür höhere Auflösung und ich kann ja näher ran gehen ;-)

Es entwickelt sich eine spannende Fotosafari, wir tauschen die Kameras zwischendurch und um uns herum fuchteln alle mit ihren Mobiltelefonen herum. Für die Fotos gut, für den Bären nicht: er ist verdammt neugierig und nähert sich immer mal wieder an. In dieser Zeit haben wir ihn sehenswert abgelichtet. Gar nicht so einfach, denn wir sind mächtig aufgeregt. So nah! Inzwischen ist er etwas unterhalb direkt an der Brücke am Ufer angekommen. Nun werden alle Leute auf der Brücke aufmerksam und jetzt wird es wirklich ungemütlich. „Lasst doch mal die Kinder nach vorn!“ Ich schätze mal rund 30-40 Leute zwischen 3 und 80 Jahren versuchen nun, ein Foto oder Video von dem „putzigen“ Bären zu bekommen. Er hat inzwischen eine Tüte mit Essensresten unter der Brücke ausgebuddelt, die dort sicher super versteckt war, er hat sie aber mit sicherem Instinkt gerochen und zerfetzt sie jetzt, um an die Reste zu kommen. Dabei kaut er auch auf Plastiktütchen, um an die letzten Soßenreste zu kommen und ich rufe ihm aus 5 Metern Entfernung lautstark zu, er solle das lassen, denn das bekommt ihm nicht! Finden die anderen nicht gut - Zeigefinger auf die Lippen! Denkste! Ich brülle ihm weiter zu, dass er das lassen soll, Plastik hat in Bärenmägen nichts zu suchen! Und tatsächlich lässt er es irgendwann sein; schmeckt vielleicht auch nicht so gut. Neugierig und putzig schaut er immer wieder zu uns herauf - erst zaghaft in einem ausgehöhlten Baum, dann kommt er raus. Ich mache nach wie vor Fotos mit dem Tele, Gabi hat sich abseits gestellt und fotografiert die Szenerie mit der D750.

Und dann geht alles ganz schnell: 2 flinke Sätze und der Kerl steht auf der Brücke und zwar ganz am Anfang. Geschrei: „Kinder, weg da!“ Aber so schnell geht das gar nicht. Also pressen sich die meisten rechts und links ans Geländer oder flüchten auf die andere Seite und das Bärchen stolziert mitten durch die Menschenmenge über die Brücke. Sowas hat die Welt noch nicht gesehen! Wenn mir das jemand vorher erzählt hätte, ich hätte es ins Land der Fabeln verwiesen. Es war natürlich klasse - er ist auf Armlänge an mir vorbei getappst - sensationell. Und nach einer halben Stunde ist man ja so gut wie befreundet, zumal ich ihm auch noch diverse gute Ratschläge in Sachen „Plastik“ gegeben hatte. Aber ehrlich Freunde: wenn er sich aufrichtet, dann haut der mich mit einem Hieb aus den Socken. War ja klar, dass er das nicht macht, denn bei derartigen Absichten wären genug „Opfer“ da gewesen, die kleiner waren als er. Nicht auszudenken …

Und genau das ist das Problem. Der Kleine hat keine Chance! Man wird ihn fangen müssen und dann gehts im günstigsten Fall an einen anderen Ort, wo Menschen weiter weg sind - oder in einen Zoo, oder … :-(

Denn wenn er wächst und keine Distanz zu Menschen hält, dann wird er zu einer echten Gefahr. Wild muss Wild bleiben (keep wildlife wild). Das ist hier im Park die Devise. Wir werden die Fotos gleich mal sichten und dann stelle ich ein paar online (viele mehr habe ich aber noch auf der Platte) - so bekommt ihr einen plastischen Eindruck. Das war natürlich bei allen gemischten Gefühlen ein sensationell tolles Ereignis.

Gut - der Rest in Kürze: Über den John Muir Trail wandern wir in endlosen Kehren über Stock und Stein nach oben. Gut, dass wir unsere Wasserflaschen an der Brücke noch einmal mit Trinkwasser füllen konnten - super Service! Immer wieder werden wir mit überwältigenden Ausblicken für die Mühen belohnt. Irgendwann tauchen die Nevada-Falls vor uns auf; Fallhöhe: 178 Meter!

Gabi hat das Stativ getragen und hier kommt es mit dem Graufilter zum Einsatz. Schön! Und dann erreichen wir nach 6,5 km das Hochplateau, wo sich der Merced River in einem größeren Pool sammelt und dann in die Tiefe stürzt. Erst mal essen wir zu Mittag; zum Sandwich gibt es noch einen leckeren Müsliriegel. Dabei leistet uns ein neugieriges Squirrel Gesellschaft, bekommt aber nichts ab: „keep wildlife wild!“ Dann genießen wir die Tiefblicke in die tosenden Fluten. Sehr beeindruckend, mit Worten nicht zu beschreiben.

Nun haben wir die Wahl: zurück auf dem gleichen Weg oder (wie geplant) über den „Mist Trail“ und die Vernal Falls nach unten. Der Weg hat seinen Namen von der Gischt, die die Vernal Falls versprühen. Der Weg ist sehr steil und über ein ganzes Stück klitschnass. Wir beraten uns und fragen auch Leute, die uns entgegen kommen. Der steile Weg ist „nur“ 4 km lang - was uns aber auch vor Augen führt, WIE steil er ist. Die Wanderer, die hinauf gekommen sind, warnen vor den rutschigen Stücken, sprechen aber auch von dem besonderen Erlebnis, in der Gischt zu klettern - wo gibt es das schon? Es entscheidet das Wort „Erlebnis“! Auf gehts - und der Weg hält alles, was er verspricht. Puh, war der steil und: ja - du wirst klitschnass bis auf die Haut, wenn du nicht (wie Gabi) eine Regenjacke anziehst. Sie hat sich einen Stock geschnappt, der ihr zusätzlichen Halt gibt. Mir hätte ein Bär schon auf die Schulter tippen müssen, damit ich ihn bemerke, so konzentriert schaue ich auf Weg und Füße und versuche, auf den tiefen Felsstufen nicht auszurutschen oder umzuknicken. Super Erlebnis - gerne immer wieder! Besonders erfreulich: konditionell sind wir auch super klargekommen. Kein Problem, Training nutzt!

Als wir aber aus dem Shuttlebus wieder aussteigen, merken wir doch, was uns in den Knochen sitzt. Missen möchten wir dieses Erlebnis aber um kein Geld der Welt. Und ich bleibe dabei: der Yosemite NP ist das allerschönste und grandioseste Stück Bergwelt, das ich je gesehen habe. Schaut mal in die Bilder rein und stellt euch die Kraft der Gletscher vor, die das alles hier geschaffen und abgeschliffen haben - sagenhaft! Und das Beste ist: morgen ist auch noch ein Tag und den verbringen wir ebenfalls komplett in diesem tollen Stück Natur. Heute haben wir viel Sonne eingefangen. Die Pizza heute Abend hat und Kraft gegeben und ich freue mich so auf morgen, denn dann heißt es wieder: „Into the wild!!

Tagesetappe: 135 Kilometer
Übernachtung:
Yosemite View Lodge, 11136 Highway 140, El Portal, CA 95318
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